Mittwoch, 29. April 2015

15. Erkenntnisse





15. Erkenntnisse aus meinem Versuch, den Camino zu gehen

Gott, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Mit diesem Spruch habe ich meinen letzten Abschnitt beendet und er gilt nach wie vor und umso mehr. 

Es sind jetzt gut vier Wochen her, dass ich bereits am ersten Tag meines Losgehens entschieden habe, dass ich den Weg nicht weitergehen kann, weil gesundheitliche Probleme entstanden sind, mit denen ich so nicht gerechnet habe.

Viele gute Zusprüche habe ich erhalten aber auch bezweifelnde, ob ich denn vorher genug Training angesetzt hätte und vor allem, ob ich denn auch fest genug meine Zähne zusammengebissen hätte. Auch kamen Hinweise auf eine ausreichende Dosis Ibuprofen oder anderer Mittel, die bei anderen wohl zur täglichen Nahrungsaufnahme gehörten, weil Schmerzen haben ja wohl alle, früher oder später. Ja, sind die denn alle gedopt?

Ich muss mich dazu nicht rechtfertigen und will mich nicht rechtfertigen. Damit, dass ich mir sehr viel vorgenommen habe, sehr viel Herzblut investiert habe, soviel Vorfreude genossen habe und mitlerweile wohl noch viel mehr über verschiedene Caminos erfahren und gelernt habe, als andere, und mich selber dennoch so sehr enttäuscht habe, muss ich selber fertig werden. 

Aber ich bin ganz ehrlich, der Camino hat mich noch lange noch nicht losgelassen, ich versuche, mir immer wieder neue Möglichkeiten auszudenken, es doch irgendwie anzugehen. 

Doch genau damit bin ich beim Thema: anzugehen. Zum jetzigen Zeitpunkt und zur körpereigenen Widerherstellungsmöglichkeit sagt mein Arzt: Nein!
 
Es lässt sich fast alles behandeln, vieles wird durch medizinische Möglichkeiten besser und bei manchen nutzt nur der medizinische Eingriff, wobei nicht alle eine Garantie auf Besserung oder gar Heilung versprechen. Nach genauer Untersuchung könnte mir mein Arzt mit einer Operation am Meniskus helfen, ok. Aber ohne Garantie und schon keine Garantie, ob ich nach einer OP mit Gepäck egal in welcher Transportweise einen solchen oder auch kürzeren Weg meistern könne. Bei den meisten Menschen mit einem derart gelagerten Problem dauert alleine die Heilungs- und Wiederherstellungsphase nach der OP wenigstens 12 Monate, zumal ich ja auch nicht der Sportlichste bin.

Wenns dann soweit wäre, habe ich die 67 voll gemacht und würde mit 68 Jahren dann losziehen können. Ich weiss, es sind viele unterwegs, die auch viel älter sind, aber auch mit viel weniger Handicaps.

Andererseits könnte ich wahrscheinlich auch ohne medizische Eingriffe weiter klarkommen, wenn ich eben ein wenig vorsichtig mit "meinen Knochen" umgehe und auf solche zu starken Belastungen verzichte. Ich kann dann eben nicht mehr zu hause 10-mal am Tag raus und wieder rein in den zweiten Stock laufen, muß den Rasen auf dem Campingplatz auf zwei Mal mähen und bei kleinen Reparaturen eben auch nicht Leiter rauf und Leiter runter steigen.

Bei meinen arthrosegeschädigten Armen, meiner kaputten Hals- und Lendenwirbelsäule vermeide ich ja auch übermäßige Anstrengen und Überbelastungen. Nun gehören weiter Problempunkte eben auch mit dazu.

Der geehrte Leser merkt wohl schon lange, worauf das alles hinaus läuft.

Ich gehe den Weg des geringeren Risikos, lasse mich wie früher auch nur dann behandeln, wenns nicht mehr anders geht und meine letzte Operation, bei der mir die linke Hälfte meiner Schilddrüse wegen eine Tumors entfernt werden musste, sollte auch meine letzte gewesen sein.

Ich habe meine Vorbereitungszeit sehr genossen, denke mit großer Freude daran zurück und geniesse noch heute jeden Eintrag, den ich im Internet über den Camino lesen kann und freue mich mit denen, die es geschafft haben und hoffentlich sehr viel davon mitnehmen. 

Ich werde mich aber ab sofort komplett dezent im Hintergrund halten. Genauso werde ich es mit Pilgertreffen halten, obwohl ich deren Zuspruch so sehr genossen habe. 

Danke sage ich nochmal allen, die mir mit vielen Ratschlägen zur Seite standen, mich ermutigt haben, und auch denen, die mir Trost gespendet haben, als ich mich dazu entschlossen habe, abzubrechen. 

Es ist mir wichtiger, meine noch zu erwartenden Lebensjahre ohne weitere Einschränkungen, die ich mir eventuell zusätzlich zufügen könnte, zu erhalten. Ich habe mehr als 50 Jahre auf meinem Rentenkonto, viele gesundheitliche Einschränkungen mitgenommen und bin nun zu der Erkenntnis gekommen, dass es mit der Selbstkateiung reichen muss.

Wolf Biermann hatte einmal gesungen: "Da muss doch noch Leben im Leben sein".

Ich schau mal nach.

Allen anderen, die es noch versuchen wollen, wünsche ich buen camino.


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