13. El camino comienza en su casa!
Der Weg
beginnt in Deinem Haus!
Morgen Vormittag,
am Mittwoch, dem 01.04.2015 geht es los, also in etwas weniger als einem Tag. Gegen
10.00 Uhr starte ich vor unserem Wohnhaus in Kassel-Wehlheiden und gehe dann noch
weiter zu einem Termin in die Motzstrasse zum Sitz der Aids-Hilfe Kassel e.V.,
wo ich noch diese fünf Aids-Hilfe-Plüschteddybären bekomme, welche ich zum
Gedenken an die meist ehrenamtliche Arbeit der Aids-Hilfe an markanten Punkten
irgendwo in Europa hinterlassen möchte. Eine ungefähre Vorstellung der
Standorte habe ich schon, werde es dann aber hier fotografisch dokumentieren,
wo sie einen Platz bekommen haben.
El camino
comienza en su casa, sagt man in Spanien und die Bestätigung dazu wird mir fast
jeder geben können, der sich jemals mit dem Weg, mit seinem Weg beschäftigt hat.
Dass es nicht eine Entscheidung von heute auf morgen sein kann, dürfte klar
sein. Es sei denn, dass man sowieso ein Wanderer vor dem Herrn ist und über die
erforderliche Ausrüstung verfügt.
Meine
Entscheidung, überhaupt den Jacobsweg zu gehen, fiel vor etwa 15 Monaten. Der eigentliche
Auslöser dazu ergab sich, als ich mit knapp 63 Jahren um die Operation meiner
Schilddrüse nicht mehr umhinkam. Ich wusste von dem Knoten im linken Teil
meiner Schilddrüse, irgendwann wurde mal von der Größe eines Kirschkerns gesprochen.
Mein Entschluss jedoch war: weiter fahren und beobachten! Jedenfalls hatte ich damals mal wieder einen
Termin bei meinem Doktor gemacht, was für uns immer problematisch war.
Arzttermine konnten fast nur im Urlaub
wahrgenommen werden, weil ich ja sonst mit dem LKW irgendwo in Europa unterwegs
war. Viele andere LKW-Fahrer-Kollegen werden das bestätigen. Jedenfalls sprach
mein Doc etwas von großem Blutbild und wollte auch noch etwas wissen, was so
mit meiner Wirbelsäule los war, ebenso mit meinen Schulter- und
Ellenbogengelenken. Und weil sowieso alles fällig war, wollte er auch noch per
Ultraschall nach der Schilddrüse schauen. Ganz allgemein war mein Gesamtzustand
in dem Moment auch nicht der Beste, der Job zerrte ziemlich stark an meiner körperlichen
Leistungsfähigkeit aber doch auch wesentlich an meiner Psyche.
Die
Ultraschalluntersuchung machte ihn dann ganz verhalten und er machte ein paar
Fotos, auf denen der Knoten deutlich zu sehen war. Von Kirschkerngröße überhaupt
keine Spur mehr, da war etwas so groß wie ein kleines Hühnerei. Das haute mich
doch noch zusätzlich aus den Socken, denn ich musste eine Entscheidung treffen,
Operation oder bis in die Rente weiterarbeiten und dann Operation. Das war nun
auch keine wirklich freie Entscheidung. Jedenfalls erhielt ich eine sofortige
Krankschreibung schon im Voraus für die nächsten zwei Wochen und eine
Überweisung zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus. Aus dieser Untersuchung
wurde schnell ein fester Termin und drei Tage später war alles vorbei. Es wurde
der linke Schilddrüsenlappen entnommen und so könnte es sein, dass ich ohne
Medikamente klar kommen würde. Ich wusste gar nicht, wie sehr mich das danach
belasten würde. Die geklebte Wunde wollte nicht richtig verheilen, sah
handwerklich total fürchterlich aus, eher wie direkt aus einem
Frankenstein-Film. Die Gelenkbeschwerden nahmen stark zu, meine Arme konnte ich
kaum noch heben und es deutete sich für mich das Berufs-aus an. So konnte ich
keine Ladungssicherung mehr durchführen, keinen LKW mehr sicher durch die
Gegend chauffieren.
Sehr schnell
bekam ich einen Termin bei einem Psychiater, der nach dem ersten Gespräch bereits
diagnostizieren konnte, dass ich so schnell keinen Truck mehr fahren würde,
wenn überhaupt. Parallel dazu ergaben Termine bei einem Orthopäden, dass meine
Lendenwirbelsäule ebenso wie meine Halswirbelsäule erhebliche Schäden
aufwiesen, die ebenfalls dagegen sprachen, dass ich jemals wieder fahren würde.
Eine von der
Rentenversicherung angesetzte Kur brachte leider keinerlei Besserung, das
Einzige, was vielleicht helfen würde, wäre sehr viel Bewegung und das über
einen längeren Zeitraum, der Kur massig nicht abgedeckt werden könne. Außerdem
wäre ich eh schon sehr nahe am Renteneintrittsalter und hätte somit wohl keine
Chance, wieder in meinen Beruf einzusteigen. Einen vorzeitigen Renteneintritt
hat man zum Glück von mir nicht gefordert, ich hätte mich auch dagegen gewehrt
und so musste ich meine Zeit quasi absitzen. Das war auch ohne Probleme
möglich, ohne in HARTZ IV reinzukommen.
So wuchs
verstärkt der Gedanke, in irgendeiner Weise einen Jakobsweg zu gehen, meinen
Jakobsweg. Eigentlich war ja alles unterhalb des Bauchnabels noch in Ordnung
und für den Rest wollte ich mir etwas einfallen lassen.
Recherchen
ergaben, dass da so etwa 8 – 10 Kilo als Minimum zu tragen seien, mit einem
Rucksack und genau da war mein Camino eigentlich schon vorbei. Aus der Kur habe
ich einen 3-kg-Schein mitbekommen, wie sollte ich dann mit 8 Kilo
zurechtkommen. Und irgendwo habe ich dann etwas von einem Pilgerwagen gelesen,
zuerst dachte ich daran, dass da jemand eine Sackkarre hinter sich herzieht
oder vor sich herschiebt und sofort kamen mir die kleinen Räder in den Sinn,
wohl möglich noch aus Vollgummi. Nein, das wäre keine Lösung. Ein Gefährt fand
ich im Internet mit einem Rad, dieses Gefährt hätte ich ständig mit meinen
Armen ausbalancieren müssen. Diese Lösung musste ich auch gleich verwerfen.
Und dann sah
ich eines Tages vor unserem Super-Feinkost-Discounter ein Damenfahrrad stehen
und dahinter war ein Anhänger mittels einer Stange im Bereich der hinteren
Achse befestigt. Links und rechts ein 20-Zoll-Rad in einem vernünftigen Rahmen,
das wäre es, dachte ich mir. Kabine, zusätzlicher Rahmen, alles weg, links und
rechts eine gebogene Alustange dran, Blech als Ablage drauf und fertig ist ein „Pilgerwagen“.
Das war die Lösung für meinen Weg. Und wie der Fahrradanhänger zum Pilgerwagen
wurde, habe ich an anderer Stelle schon beschrieben und bebildert.
Natürlich
waren mit einem Pilgerwagen in dieser Größe noch andere Probleme zu bewältigen,
für öffentliche Verkehrsmittel ist der nur bedingt geeignet und ob ich damit
ohne Probleme in Herbergen reinkommen würde, noch dazu Treppen überwinden
könnte, bezweifele ich. Aber ich habe von jeher in Betracht gezogen, Zelt und
Schlafsack mitzuführen. Als alter Camper gibt es da keine Probleme, auch nicht
mit der Selbstversorgung.
Und dann
wurde in verschiedenen Foren darauf hingewiesen, dass es ja auch wesentlich
sei, mit anderen Pilgern beim gemütlichen Vino Tinto ins Gespräch zu kommen.
Das mag ja für viele eine Bereicherung sein, aber pardon, ich bin Alkoholiker,
trockener Alkoholiker, seit 17 Jahren und da geben mir Gespräche mit Wein
schlürfenden Mitbürgern nicht wirklich etwas, zumal jeder eigene Grenzen dafür
hat oder eben nicht. Und in alkoholgeschwängerten Schlafsälen zu nächtigen, ist
leider auch nicht mein Ding. Ergo kann ich mich auf die netten Gespräche
zwischendurch freuen und versuche ansonsten, mein Zelt auf einem Campingplatz
oder privat, vielleicht auf einer Wiese in einem Garten aufzubauen oder einfach
im Schlafsack in einem Stall oder einer Scheune zu nächtigen.
Und genau
unter diesem Aspekt trete ich morgen meinen Weg mit meinem Pilgerwagen an, um
von Kassel nach Santiago de Compostella zu kommen.
Es stimmt
nach meiner Erfahrung tatsächlich:
El camino
comienza en su casa!
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