Dienstag, 31. März 2015

13. El camino comienza en su casa!




13. El camino comienza en su casa!
       Der Weg beginnt in Deinem Haus!

Morgen Vormittag, am Mittwoch, dem 01.04.2015 geht es los, also in etwas weniger als einem Tag. Gegen 10.00 Uhr starte ich vor unserem Wohnhaus in Kassel-Wehlheiden und gehe dann noch weiter zu einem Termin in die Motzstrasse zum Sitz der Aids-Hilfe Kassel e.V., wo ich noch diese fünf Aids-Hilfe-Plüschteddybären bekomme, welche ich zum Gedenken an die meist ehrenamtliche Arbeit der Aids-Hilfe an markanten Punkten irgendwo in Europa hinterlassen möchte. Eine ungefähre Vorstellung der Standorte habe ich schon, werde es dann aber hier fotografisch dokumentieren, wo sie einen Platz bekommen haben.

El camino comienza en su casa, sagt man in Spanien und die Bestätigung dazu wird mir fast jeder geben können, der sich jemals mit dem Weg, mit seinem Weg beschäftigt hat. Dass es nicht eine Entscheidung von heute auf morgen sein kann, dürfte klar sein. Es sei denn, dass man sowieso ein Wanderer vor dem Herrn ist und über die erforderliche Ausrüstung verfügt. 

Meine Entscheidung, überhaupt den Jacobsweg zu gehen, fiel vor etwa 15 Monaten. Der eigentliche Auslöser dazu ergab sich, als ich mit knapp 63 Jahren um die Operation meiner Schilddrüse nicht mehr umhinkam. Ich wusste von dem Knoten im linken Teil meiner Schilddrüse, irgendwann wurde mal von der Größe eines Kirschkerns gesprochen. Mein Entschluss jedoch war: weiter fahren und beobachten!  Jedenfalls hatte ich damals mal wieder einen Termin bei meinem Doktor gemacht, was für uns immer problematisch war.

 Arzttermine konnten fast nur im Urlaub wahrgenommen werden, weil ich ja sonst mit dem LKW irgendwo in Europa unterwegs war. Viele andere LKW-Fahrer-Kollegen werden das bestätigen. Jedenfalls sprach mein Doc etwas von großem Blutbild und wollte auch noch etwas wissen, was so mit meiner Wirbelsäule los war, ebenso mit meinen Schulter- und Ellenbogengelenken. Und weil sowieso alles fällig war, wollte er auch noch per Ultraschall nach der Schilddrüse schauen. Ganz allgemein war mein Gesamtzustand in dem Moment auch nicht der Beste, der Job zerrte ziemlich stark an meiner körperlichen Leistungsfähigkeit aber doch auch wesentlich an meiner Psyche.
Die Ultraschalluntersuchung machte ihn dann ganz verhalten und er machte ein paar Fotos, auf denen der Knoten deutlich zu sehen war. Von Kirschkerngröße überhaupt keine Spur mehr, da war etwas so groß wie ein kleines Hühnerei. Das haute mich doch noch zusätzlich aus den Socken, denn ich musste eine Entscheidung treffen, Operation oder bis in die Rente weiterarbeiten und dann Operation. Das war nun auch keine wirklich freie Entscheidung. Jedenfalls erhielt ich eine sofortige Krankschreibung schon im Voraus für die nächsten zwei Wochen und eine Überweisung zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus. Aus dieser Untersuchung wurde schnell ein fester Termin und drei Tage später war alles vorbei. Es wurde der linke Schilddrüsenlappen entnommen und so könnte es sein, dass ich ohne Medikamente klar kommen würde. Ich wusste gar nicht, wie sehr mich das danach belasten würde. Die geklebte Wunde wollte nicht richtig verheilen, sah handwerklich total fürchterlich aus, eher wie direkt aus einem Frankenstein-Film. Die Gelenkbeschwerden nahmen stark zu, meine Arme konnte ich kaum noch heben und es deutete sich für mich das Berufs-aus an. So konnte ich keine Ladungssicherung mehr durchführen, keinen LKW mehr sicher durch die Gegend chauffieren.

Sehr schnell bekam ich einen Termin bei einem Psychiater, der nach dem ersten Gespräch bereits diagnostizieren konnte, dass ich so schnell keinen Truck mehr fahren würde, wenn überhaupt. Parallel dazu ergaben Termine bei einem Orthopäden, dass meine Lendenwirbelsäule ebenso wie meine Halswirbelsäule erhebliche Schäden aufwiesen, die ebenfalls dagegen sprachen, dass ich jemals wieder fahren würde.
Eine von der Rentenversicherung angesetzte Kur brachte leider keinerlei Besserung, das Einzige, was vielleicht helfen würde, wäre sehr viel Bewegung und das über einen längeren Zeitraum, der Kur massig nicht abgedeckt werden könne. Außerdem wäre ich eh schon sehr nahe am Renteneintrittsalter und hätte somit wohl keine Chance, wieder in meinen Beruf einzusteigen. Einen vorzeitigen Renteneintritt hat man zum Glück von mir nicht gefordert, ich hätte mich auch dagegen gewehrt und so musste ich meine Zeit quasi absitzen. Das war auch ohne Probleme möglich, ohne in HARTZ IV reinzukommen.

So wuchs verstärkt der Gedanke, in irgendeiner Weise einen Jakobsweg zu gehen, meinen Jakobsweg. Eigentlich war ja alles unterhalb des Bauchnabels noch in Ordnung und für den Rest wollte ich mir etwas einfallen lassen.

Recherchen ergaben, dass da so etwa 8 – 10 Kilo als Minimum zu tragen seien, mit einem Rucksack und genau da war mein Camino eigentlich schon vorbei. Aus der Kur habe ich einen 3-kg-Schein mitbekommen, wie sollte ich dann mit 8 Kilo zurechtkommen. Und irgendwo habe ich dann etwas von einem Pilgerwagen gelesen, zuerst dachte ich daran, dass da jemand eine Sackkarre hinter sich herzieht oder vor sich herschiebt und sofort kamen mir die kleinen Räder in den Sinn, wohl möglich noch aus Vollgummi. Nein, das wäre keine Lösung. Ein Gefährt fand ich im Internet mit einem Rad, dieses Gefährt hätte ich ständig mit meinen Armen ausbalancieren müssen. Diese Lösung musste ich auch gleich verwerfen.




Und dann sah ich eines Tages vor unserem Super-Feinkost-Discounter ein Damenfahrrad stehen und dahinter war ein Anhänger mittels einer Stange im Bereich der hinteren Achse befestigt. Links und rechts ein 20-Zoll-Rad in einem vernünftigen Rahmen, das wäre es, dachte ich mir. Kabine, zusätzlicher Rahmen, alles weg, links und rechts eine gebogene Alustange dran, Blech als Ablage drauf und fertig ist ein „Pilgerwagen“. Das war die Lösung für meinen Weg. Und wie der Fahrradanhänger zum Pilgerwagen wurde, habe ich an anderer Stelle schon beschrieben und bebildert.
Natürlich waren mit einem Pilgerwagen in dieser Größe noch andere Probleme zu bewältigen, für öffentliche Verkehrsmittel ist der nur bedingt geeignet und ob ich damit ohne Probleme in Herbergen reinkommen würde, noch dazu Treppen überwinden könnte, bezweifele ich. Aber ich habe von jeher in Betracht gezogen, Zelt und Schlafsack mitzuführen. Als alter Camper gibt es da keine Probleme, auch nicht mit der Selbstversorgung.




Und dann wurde in verschiedenen Foren darauf hingewiesen, dass es ja auch wesentlich sei, mit anderen Pilgern beim gemütlichen Vino Tinto ins Gespräch zu kommen. Das mag ja für viele eine Bereicherung sein, aber pardon, ich bin Alkoholiker, trockener Alkoholiker, seit 17 Jahren und da geben mir Gespräche mit Wein schlürfenden Mitbürgern nicht wirklich etwas, zumal jeder eigene Grenzen dafür hat oder eben nicht. Und in alkoholgeschwängerten Schlafsälen zu nächtigen, ist leider auch nicht mein Ding. Ergo kann ich mich auf die netten Gespräche zwischendurch freuen und versuche ansonsten, mein Zelt auf einem Campingplatz oder privat, vielleicht auf einer Wiese in einem Garten aufzubauen oder einfach im Schlafsack in einem Stall oder einer Scheune zu nächtigen.

Und genau unter diesem Aspekt trete ich morgen meinen Weg mit meinem Pilgerwagen an, um von Kassel nach Santiago de Compostella zu kommen.

Es stimmt nach meiner Erfahrung tatsächlich:

El camino comienza en su casa!

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